Künstler
Höhner
Die Band
Im Jahr 2000 standen die Höhner wahrlich auf dem Olymp des Showbusiness. Höher, schneller und weiter hieß es in diesem Jahr. Nicht nur in der "Rockin' Roncalli Show", in der das Sextett drei Wochen lang eine grandios schillernde Revue alter und exklusiv neuer Lieder bot und, getragen von Publikumsovationen, auf Wolke sieben schwebte. Die einmalige Mischung aus Artistik und Clownerie, aus Manegenzauber, Popmusik und kölschen Tönen schuf eine einzigartige Atmosphäre unter der Zirkuskuppel - ein absolutes Highlight in der fast drei Dekaden umfassenden Karriere der Höhner. Hier konnten die sechs Musiker ihren Verwandlungskünsten nach Herzenslust nachgehen und einmal mehr ihr schauspielerisches Talent unter Beweis stellen. Die erste Goldene Schallplatte, die ihnen im Vorfeld für "Die Karawane zieht weiter", ihre bis dato erfolgreichste Single, verliehen wurde, hatte der kölschen Band zusätzlichen kreativen Aufschwung verliehen. Aber besonders ihre gemeinsam mit dem Zirkus Roncalli konzipierte Show demonstrierte, dass sich die Höhner immer neu zu erfinden wissen und sich mit Leidenschaft und Neugierde, mit kölscher Lebensart und enormem Talent in jedes neue künstlerische Abenteuer stürzen.
Auch das neue Album ist durchaus das Ergebnis eines abenteuerlichen Unternehmens. Eigentlich sollte es bereits nach dem Ausflug in die Welt des Zirkus erscheinen, aber dann entschied sich die Band unisono erst einmal an weiteren Songs zu feilen - und nur solche aus der Roncalli-Show zu übernehmen, die auch über den Zirkus hinaus ein Eigenleben entwickeln würden. "2, 3, 4" haben die Höhner nun ihr neues Album aus einer spontanen Laune heraus, aber durchaus zutreffend benannt. Mit diesem kurzen Anzählen starten Henning Krautmacher, Peter Werner, Janus Fröhlich, Hannes Schöner, Peter Bauchwitz und Ralf Rudnik mit einem beeindruckend vielfältigen Werk ins Jahr 2001 durch. Raus aus den Livrees, rein ins Vergnügen. Die Devise für die anstehende Konzertsaison steht eher unter dem Party-Motto: Höhner für alle. Einmal mehr will das Sechsergespann, das wie kaum eine andere Band den Leadgesang und die Instrumente fliegend untereinander wechseln kann, ganz auf die Stärke seiner Songs setzen. Den Auftakt in die neue Saison - und die fängt bei den Höhnern bekanntlich am Elften im Elften an - machte die aktuelle Single "Dicke Mädchen haben schöne Namen". Diese Stimmungsnummer sorgte bereits für Aufregung bei manchen gestandenen Höhner-Fans, vor allem unter den weiblichen. Das Leitmotiv lautet "In einem runden Körper steckt ein fröhlicher Geist" - und so ergriffen diejenigen Mädchen, die sich angesprochen fühlten, aber im Refrain "Dicke Mädchen haben schöne Namen, heißen Tosca, Rosa oder Carmen" nicht namentlich wiederfanden, kurzerhand selbst die Initiative und druckten sich "Dicke Mädchen"-T-Shirts mit ihren eigenen Namen. In einer Welt voller abgehobener Schönheitsideale beweisen die Höhner humorvoll sinnfällige Bodenhaftung. In den Karnevalswochen dürfte dieser Publikumsfavorit dem Sultan jedenfalls mächtig Konkurrenz machen.
"2, 3, 4", der 23. Longplayer der Höhner, hat aber noch viele andere schwere Kaliber zu bieten. Das Entree "Herzlich willkommen" ist der adäquate Auftakt zu einer musikalischen Galashow, die sich keinem Genre verschließt, seien es purer Pop, purifizierter Rock'n'Roll, bauernschlauer Schlager, filigraner Folk oder sanfter Walzer. All das natürlich unter dem Banner kölscher Denk- und Lebensart. So ist "Wo mir sin is Kölle" schon längst weit über die Grenzen der Domstadt hinaus zur aktuellen Bandhymne avanciert - spiegelt sie doch die Mentalität der rheinischen Frohnaturen wider, bei denen zwar pfiffige Pointen überwiegen, doch auch nachdenklichen Liedern ein Forum geboten wird. "Dä jüngste Daach" ist ein Appell, jeden Moment des Lebens in vollen Zügen zu genießen, und "Do kammer dran föhle" gibt der wohlbegründeten Skepsis gegenüber vorgefertigten Wahrheiten eine Stimme. In medias res gehen die Höhner bei "Kumm eren! (Du bes immer jän jesinn!)": Hier wird der Geist der Arsch-huh-Bewegung, die Vereinigung Kölner Musiker gegen Rechtsradikalismus, beschworen - und neben dem Statement gegen die noch immer herrschende Rassendiskriminierung auch die Wiederaufnahme gefallener Engel in ein humanes gesellschaftliches Gefüge als Akt der Zivilcourage eingefordert.
Musikalisch wandeln die Höhner diesmal sogar auf den Spuren der von allen sechs Musikern verehrten Beatles. Im Jahr, in dem die Musik der Fab Four erneut die Welt erobert, hat das rheinische Sixpack mit "Annemarie" ein tolles Pendant zu "Penny Lane" aufgenommen. Nicht minder romantisch kommt "Liebchen" daher, eine Floskel, mit der der unvergessene Willy Millowitsch jedes weibliche Wesen ansprach - und das jetzt als Hommage an jeden Herzenssturm in die Musikgeschichte eingehen dürfte. Lieder mit mehreren Bedeutungsebenen sind eine weitere Spezialität des neuen Albums. "Sie greift nach den Sternen" wartet gleich mit zwei, drei, wenn nicht vier Interpretationsmöglichkeiten auf. Das Lied über ein schlafwandelndes Mädchen versinnbildlicht traumtänzerisches Lebensgefühl und erstrebenswerte kindliche Unschuld. Ebenso wie die moritatenhafte Ballade vom traurigen Clown "Antonio" entstand dieser Song im Rahmen des Zirkusprogramms, und wurde in der Roncalli-Show als Seiltanznummer akrobatisch umgesetzt. Den Schalk im Nacken haben die Höhner von Natur aus. Und so bieten sie auch fürs Zwerchfell wieder manche faustdicke Überraschung. "Immer freundlich lächeln", diese originelle Mixtur aus wortspielerischem Klamauk und Weisheit des Konfuzius, konnte schon im Frühjahr 2000 Chartluft schnuppern. Nicht weniger originell und witzig kommt "Tante Käthe" daher. Wie am Titel unschwer zu erkennen ist, haben die Höhner dieses Lied dem Bundestrainer Rudi Völler gewidmet: eine Stadionhymne in spe, die sich allerdings jeden Bierernst und jegliche Verbissenheit verbietet. Eine einmalige Mischung aus Bauernschläue und Volksmund ist den Höhnern auch mit "Et jeiht immer öm et Jeld" gelungen. Den krönenden Abschluß bilden "Heim jommer nit" und "2, 3, 4". Erstgenanntes Lied, dass mit seiner trinkseligen Melodie zum Mitsingen geradezu einlädt, ist all denen gewidmet, die an den Tresen die Kurve nicht kriegen. Kein Wunder, dass sich dieser "Absacker" in den letzten Wochen zum Publikumsrenner entwickelt hat. Und so bombastisch, wie das Album beginnt, so minimal und aufs Wesentliche reduziert klingt es aus: Ur-Höhner Janus 'Der kleine Mann' Fröhlich kommt hier mal wieder ganz groß raus - und spielt den widerspenstigen Querulanten, den Trommler, ohne den gar nichts läuft.
"2, 3, 4" lässt keine Zweifel aufkommen: Die Höhner haben nicht nur an Fahrt gewonnen, sie geben richtig Vollgas. Der jüngste Neuzugang, der Gitarrist Ralf "Ralle" Rudnik, ist mittlerweile voll in die kreativen Prozesse der Band und ihre nicht enden wollenden Aktionen integriert. Die Karnevalssession 2001 ist für die Legionäre der närrischen Saison, die bis zu 2000 Auftrittsanfragen pro Jahr bekommen, eine weitere konditionelle Herausforderung. Das Geheimnis, wie sie sich vor jeglichen Verschleißerscheinungen bewahren, geben sie gerne Preis. "Wir haben stets Lust zu experimentieren, und fragen uns, wo kann man noch was ausreizen", konstatiert Hannes Schoner. Und Gründungsmitglied Peter Werner ergänzt: "Außerdem wollen wir irgendwann einmal mit einem unserer Lieder die Nummer eins in den deutschen Charts erreichen." Ein Traum, der leicht in Erfüllung gehen könnte, zeigte doch der mehrfache Charterfolg von "Die Karawane zieht weiter", die in der Goldverleihung und einer Echo-Nominierung gipfelte, dass die Höhner mittlerweile bundesweit bekannt sind. Der Vormarsch geht weiter. 2, 3, 4, marschieren wir! P.S. Wer einen umfangreichen Blick in die bewegte Vergangenheit der Höhner werfen will, dem sei "Höhner... Das Buch - Biografie einer deutschen Band" von Dodo Hey empfohlen. Darin sind ausführlich alle Karrierestationen der 1972 gegründeten Band dokumentiert, werden ihre künstlerischen Wandlungen von den ersten Auftritten beim Karneval über ihre langjährige Verbindung mit dem Millowitsch Theater bis zu den zur Tradition gewordenen Höhner Classic Konzerten chronologisch geschildert, alle ehemaligen und aktiven Musiker porträtiert und die Aktivitäten als Sonderbotschafter der Unicef ebenso gewürdigt wie ihre fortwährende Patenschaft für das LoRe-Restaurant, eine Einrichtung für Obdachlose. Doch soll hier auch ein kleiner Ausblick in die Zukunft der Band, die mit großen Schritten auf ihr 30-jähriges Jubiläum zusteuert, gewagt werden. Die Höhner planen auch ein Weihnachtsalbum für 2001 und schließlich wartet noch eine Konzeptidee mit einem Kölner Schriftsteller in der Schublade, bei dem eine mittelalterliche Geschichte aus Köln für die heutige Zeit musikalisch bearbeitet werden soll.